Links.

Das Selbst „hat kein Wesen, sondern ist eine Abfolge von Werden, ein weiterführendes Projekt der Selbstgestaltung ohne klares Ende oder Ziel („telos“). Aus dieser Perspektive sollte Autonomie nicht als Status gesehen werden, den jemand erreicht, sondern vielmehr als Reihe agonistischer [= „kämpferischer“] Praktiken, hervorgebracht im Kontext von Zwängen und Begrenzungen, sowohl äußeren, als auch inneren“: Ungehorsam bedeutet demnach heute nicht nur bestimmte Gesetze zu übertreten sondern verlangt andere Lebensformen und Selbstwahrnehmungen.
Saul Newman

 

Anarchismus.de


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Graswurzelrevolution (Zeitschrift und Verlag)
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Direkte Aktion - anarchosyndikalistische Zeitung

 

Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen
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FAU (Frei Arbeiter:innen Union – Anarchosyndikalistische Gewerkschaftsföderation)
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die verschiedenen Ortsgruppen haben meist einen eigenen Webauftritt

 

Alles Verändern, ein anarchistischer aufruf / …

https://www.crimethinc.com/tce/deutsch

 

War Resisters' International

 

Postanarchismus

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No Power For No One! Postanarchismus setzt sich mit poststrukturalistischen und postmodernen Theorien aus anarchistischer Perspektive auseinander.

 

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Gai Dao

 

Schwarze Faden - Zeitschrift Nummer 0-77 : trotzdem Verlag

Über anarchistische Bezugnahmen zum Begriff „Sozialismus“.

Das Begriffe nie einheitlich verwendet werden, vieldeutigen Bedeutungsgehalt haben, in unterschiedlichen Kontexten variieren und sich im Laufe der Zeit verändern, ist selbsterklärend. Doch umso mehr täte es Anarchist*innen gelegentlich gut, sich mit ihrer eigenen Verwendung von Begriffen zu beschäftigen. Hierbei geht es nicht um an sich „richtige“ oder „wahre“ Interpretationen von Worten. Vielmehr kommt in der Begriffsverwendung das geformte Bewusstsein zum Ausdruck. Weil die Verwendung bestimmter Begriffe ihrerseits zur Formung des Bewusstseins beiträgt, ist es erforderlich, sich damit zu beschäftigen, wenn wir uns von den Ideologien der Herrschaftsordnung emanzipieren wollen.

Für die anarchistische Theorie ist ein solcher Schlüsselbegriff jener des Sozialismus. In unserer Interpretation von ihm, unserer Bezugnahme auf ihn und unserer Verwendung von ihm, kommt zum Ausdruck, wie wir uns selbst positionieren, zu anderen politisch-weltanschaulichen Strömungen verorten, Geschichte verstehen und auf welche Visionen hin wir unsere eigenen Projekte orientieren. Daher ist es sinnvoll, wenn wir uns der Frage widmen, wie Anarchist*innen mit dem Begriff Sozialismus umgehen sollten – wozu es durchaus kontroverse Ansichten gibt, über die wir uns streiten können.

Als Kind aus einer christlichen Familie, deren Angehörige vom DDR-Staat unterdrückt wurden, wurde ich gleichermassen von einem antikommunistischen Narrativ geprägt, wie ich Werte vermittelt bekam und durch meine Affinität zu ihnen fand, die mich später zum Anarchismus brachten. Beides, die Ablehnung des sogenannten „realen“ Sozialismus, als auch meine vor allem ethischen Einstellungen, die im besten Sinne als sozialistisch zu bezeichnen sind, befindet sich in einer produktiven Spannung – von welche der Anarchismus meiner Ansicht nach allgemein in mehreren Hinsichten geprägt ist.

Dieser persönliche Hintergrund verrät allerdings auch einiges über die Spannung zwischen Anarchismus und Sozialismus insgesamt. Sozialismus kann als Ideologie, Organisationsweise, Ethik und Theorie herrschaftlichen Projekten dienen. Und die Implikationen welche Sozialismus beinhaltet, können ebenso als Inspirationsquelle für selbstorganisierte, autonome Graswurzelbewegungen genutzt werden.

Konturen des Sozialismus

Zunächst steht Sozialismus für eine der drei grossen politisch-ideologischen Vorhaben der europäischen Moderne. Während der Konservatismus vor allem auf den Erhalt der bestehenden Gesellschaftsform, traditionelle Institutionen, Werte und damit auch Privilegien setzt, strebt der Liberalismus danach, dass Menschen individuell ihre Leben gestalten können, wozu sie Staatsbürger*innen werden müssen. Dagegen will der Sozialismus eine Gesellschaftsform einrichten, in welcher soziale Gerechtigkeit und Gleichheit durch die Überwindung der Klassengesellschaft hergestellt wird. Die sozialistische Ethik bezieht sich auf die Grundwerte von Gleichheit, sozialer Freiheit und Solidarität, wie sie seit der Französischen Revolution propagiert, aber bisher nie für alle Menschen realisiert wurden. Dazu sollen Privateigentum vergesellschaftet und die Produktion kollektiviert werden.

Idealerweise sollen alle Menschen bei Entscheidungsprozessen partizipieren, welche sie betreffen und diese nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten aller gestalten. Eine Angleichung des ökonomischen und sozialen Status der Gruppen und Individuen soll somit echte Demokratie ermöglichen. Grundannahmen sind dabei, dass gesellschaftlicher Reichtum durch die Arbeitskraft entsteht und im Kapitalismus durch Privateigentum angeeignet wird, welches ein entscheidender Machtfaktor ist. Die Ausrichtung der kapitalistischen Produktionsweise auf Profit und seine Maximierung wirken sich dabei in alle weiteren gesellschaftlichen Bereiche aus und geben diesen die Rahmenbedingungen vor. Deswegen ist es so wichtig, die Produktions- und Eigentumsverhältnisse grundlegend zu transformieren.

Statt von einem so oder so festgelegten „Wesen des Menschen“ auszugehen, werden Subjekte als Produkte ihrer gesellschaftlichen und sozialen Umgebungen aufgefasst. Daher gilt es Bedingungen zu schaffen, in denen menschliche Tiere einer sozialistischen Ethik entsprechend leben können. Hierbei ist der Sozialismus stark mit dem modernen Humanismus verknüpft, der häufig religiöse und esoterische Ideologien kritisiert.

Ausgehend von seiner Ideengeschichte, seinen politisch-theoretischen Grundannahmen, aber auch ganz konkret in der Ausprägung als soziale Bewegung kann der Sozialismus in die drei Hauptströmungen der Sozialdemokratie, des (Partei-)Kommunismus und des Anarchismus unterteilt werden. Die Sozialdemokratie setzt auf politische Reformen und der (Partei-)Kommunismus strebt eine politische Revolution an. In Abgrenzung dazu wird im Anarchismus auf mutualistische Selbstorganisation, Aufstand und Subversion, autonome soziale Bewegungen und das Konzept der sozialen Revolution gesetzt, um die Gesellschaftsform zu transformieren. Ausserdem weist das anarchistische Denken stärkere Schnittpunkte mit liberalen Vorstellungen auf, was sich etwa an der Betonung der Selbstbestimmung der Individuen, der Freiwilligkeit als Organisationsprinzip und theoretischen Überlegungen zu Selbstorganisation und freier Vereinbarung zeigt.

Kritikpunkte am Sozialismus

Gegen das sozialistische Projekt als Ganzes werden verschiedene Kritikpunkte von seinen verschiedenen Gegner*innen vorgebracht. Wie erwähnt ist es stark mit der Ideologie der europäischen Moderne verknüpft. Auch wenn sich antikoloniale und antirassistische Bewegungen auf den Sozialismus bezogen haben, stehen sie damit in der Gefahr, den dominanten Eurozentrismus zu reproduzieren. Ähnliches kann über den Humanismus gesagt werden, welcher wiederholt als Ideologie genutzt wurde, um moderne Herrschaftsordnungen zu rechtfertigen und Kritik an ihnen abzuschmettern. Denn wer kann schon etwas dagegen sagen, wenn behauptet wird, dass die bestehende Regierung im Auftrag und für das Beste von allen handelt?

Konservative und Liberale meinen, die sozialistischen Gleichheitsforderungen würden praktisch zu einer Gleichmacherei der Menschen führen, die sich entweder gegen ihre Natur richtet oder ihre individuellen Besonderheiten negiert. Dadurch würden die Einzelnen keine Verantwortung mehr für sich selbst und die Gemeinschaft übernehmen. Die Enteignung des Privateigentums wäre ausserdem unrechtmässig und könnte nur mit brutalem Zwang durchgeführt werden. Im schlimmsten Fall würde der Hass auf die privilegierten Klassen zu einem Gewaltexzess führen, der auch antisemitische Züge tragen könne. Schliesslich wird auch behauptet, Sozialist*innen gingen von einem positiven Menschenbild aus, mit dem schlichtweg geleugnet werde, dass Menschen auch böse, faul und egoistisch wären – was es durch Androhung und Ausübung von Zwang einzudämmen und auszugleichen gälte. Daher sei es überhaupt gefährlich, die bestehende Gesellschaftsordnung infrage zu stellen und überwinden zu wollen, da dies zu chaotischen Zuständen und dem Ausbrechen der Barbarei führen würde.

In unterschiedlichen Ausprägungen beruhen diese Kritikpunkte teilweise auf blossen Unterstellungen, welche zur Legitimation der eigenen Ideologie und des eigenen Herrschaftsanspruches dienen. Zugleich haben sie sich sowohl in sozialistischen Bewegungen, als auch in sozialistischen Staaten leider immer wieder als wahr erwiesen. Bei der Kritik am Sozialismus ist es wichtig, nicht antikommunistischen Reflexen zu folgen. So wird etwa die New-Age-Religion der Falun Gong in China brutal unterdrückt und hat dementsprechend Kritik am „Kommunismus“ als solchem. Dies rechtfertigt aber nicht, dass sie sich entschieden haben, sich mit der extremen Rechten zu verbünden. Bei einer Diskussion über einen inhaltlichen Beitrag, sagte ein Genosse, wir sollten auf die Verwendung des Wortes „Sozialismus“ verzichten, weil dies bei vielen Menschen, die in der DDR sozialisiert sind „negative Gefühle“ auslösen würde. Auch dahinter steht ein antikommunistischer Reflex, weil die Rhetorik der herrschenden Klassen damit implizit akzeptiert und übernommen wird.

Grundlegend zu kritisieren ist allerdings die Verstaatlichung des Sozialismus. Brutale Repression einerseits und die Ausweitung demokratischer Mitbestimmung und parlamentarischer Betätigung andererseits, führten zahlreiche Sozialist*innen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu, sich parteiförmig zu organisieren und reformistische Politik im Rahmen der bestehenden politischen Institutionen zu machen. Dies entsprach nicht allein dem Anliegen der entstehenden Kaste von sozialistischen Politiker*innen, sondern häufig auch jenem der Basisgruppen. Ausserdem wurde die Sozialpolitik entwickelt, mit welcher nicht bloss den Forderungen der Sozialist*innen das Wasser abgegraben werden sollte, sondern sich ebenso ein wichtiges neues Feld etablierte, in welchem der Staat Zugriff auf seine Bürger*innen erlangt, sie abhängig machen, konditionieren und formen konnte.

Allerdings war die Bezugnahme zu Politik, Parteien und Staat lokal und zeitlich sehr verschieden ausgeprägt. So formierte sich der Anarchismus gerade als Gegenbewegung zur Verstaatlichung und des Sozialismus, um am Konzept selbstorganisierter, autonomer sozialer Bewegungen und der Strategie des Aufbaus von Parallelstrukturen und Zwischenräumen festzuhalten.

In seiner mutualistischen Ausprägung wird dabei auf Genossenschaften und anderen Formen selbstorganisierter Zusammenhänge in der Produktion und in Nachbarschaften gesetzt. Im Individualanarchismus geht es um die Selbstbestimmung und Ermächtigung von Einzelnen, welche damit immer weniger auf ihre Beherrschung angewiesen sind. Mit dem kommunistischen Anarchismus soll der Blick aufs Ganze gerichtet und in einem Netzwerk libertär-sozialistisch gesellschaftliche Verhältnisse ausgebaut und ausgeweitet werden.

Im Insurrektionalismus wird der Fokus dagegen auf die Zerstörung jeglicher Herrschaftsstrukturen gerichtet. Anarch@-Syndikalist*innen streben an, Organisationsformen zu schaffen, welche „Keimzellen der kommenden Gesellschaft“ und deren Institutionen in Selbstverwaltung überführen können. Schliesslich setzen kommunitäre Anarchist*innen auf Kommunen und Alternativkulturen, um experimentell neue Beziehungen und Formen vorwegzunehmen.

Sozialismus als Herrschaftsform und Führungsdoktrin

Für Anarchist*innen beruht Staatssozialismus auf der Illusion, der Staat könne als mehr oder weniger neutrales Instrument genutzt werden. Damit führt er potenziell zur Etablierung einer neuen Herrschaftsform, die wiederum privilegierte bürokratische Klassen hervorbringt, als auch Gegner*innen und Oppositionellen gegenüber repressiv werden muss und zudem eine langweilige Gleichmacherei erschafft. Dies hat sich historisch in den sogenannten realsozialistischen Staaten auch so bewahrheitet.

Es stimmt, dass deren Entwicklung vermutlich ziemlich anders verlaufen wäre, hätten die realsozialistischen Staaten nicht in Konkurrenz zu den liberal-kapitalistischen Staaten gestanden. Doch auch darüber hinaus wiesen sie innere Widersprüche auf, verkannten das Wesen des Staats und boten Ansatzpunkte für die Entstehung einer neuen Herrschaftsordnung und Korruption. Interessanterweise wiesen Anarchist*innen nicht erst in der Erfahrung mit den realsozialistischen Staaten auf deren Probleme hin, sondern kritisierten bestimmte Ausprägungen des Sozialismus bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Diese Kritik am autoritären Sozialismus entstammte nicht vorrangig spitzfindigen theoretischen Überlegungen (wie etwa detailliert ausgearbeiteten Staatstheorien), sondern konkreten Erfahrungen in den Auseinandersetzungen in pluralen sozialistischen Bewegungen. Denn bereits in diesen etablierten sich Kaderpolitiker*innen mit eigenen Führungsansprüchen und Interessen. Die absolute Überzeugung auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen war häufig ein Vorwand, um Kritik abzuschmettern.

Beispielsweise propagierte man die Verelendungstheorien, um Führungsansprüche zu rechtfertigen und nutzte insbesondere den Marxismus als eine Parteidoktrin, um die Zugänge zu Führungskreisen zu bewachen und in ihnen eine Hierarchie aufzubauen. Die Pluralität sozialer Bewegungen wurde zugunsten vereinheitlichter Programme und Organisationsformen beschnitten und Macht gebündelt, zentralisiert und bürokratisiert.

Aus anarchistischer Sicht gibt es also genug Gründe, dem Begriff Sozialismus gegenüber mindestens skeptisch zu sein. In jedem Fall kann er nicht als Wert für sich begrüsst werden, sondern ist mit näherem Inhalt zu füllen. Damit gingen Anarchist*innen auf dreierlei Weisen um: Sie formulierten eine sezessionistische, eine transzendierende und eine immanente Kritik am Sozialismus. Mit der sezessionistischen Kritik wurde und wird gesagt, dass es sich grundlegend vom Sozialismus als Gesellschaftskonzept abzugrenzen gilt.

Dementsprechend wird damit auch ein Bruch mit der sogenannten gesellschaftlichen Linken gefordert. Die transzendierende Kritik geht davon aus, dass der Sozialismus durchaus die Wurzel des Anarchismus ist, man sich aber aus strategischen und auch theoretischen Gründen von ihm distanzieren sollte. Schliesslich wird mit der immanenten Kritik argumentiert, dass der Staatssozialismus letztendlich gar kein Sozialismus mehr ist und dieser Begriff gewissermassen für den Anarchismus reklamiert, welcher der eigentliche Sozialismus sei.

Alle drei Kritiken entstanden schon bei der Entstehung des Anarchismus und waren Bestandteile seiner Selbst-Bewusstwerdung. Sie werden auch immer wieder neu artikuliert, was auch heute wieder der Fall ist, um den Anarchismus in verworrenen Zeiten zu konturieren. Dies ist auch notwendig, denn erstens traten in den letzten Jahren wieder verstärkt autoritär-kommunistische Gruppen auf, welche die realsozialistischen Staaten verherrlichen, dabei Geschichtsrevisionismus betreiben und unter anderem auch anarchistische Stimmen mundtot machen wollen.

Zweitens führt die Krise linker/sozialistischer Politik, ob auf der Strasse, in Basisgruppen oder Parteien, nicht zwangsläufig zur Radikalisierung von Sozialist*innen, sondern angesichts des erstarkenden Faschismus mindestens genauso zu ihrer sozialdemokratischen Einhegung.

Drittens hat in den vergangenen drei Jahrzehnten die Rolle der Nicht-Regierungs-Organisationen kontinuierlich zugenommen. Diese verteidigen zwar Minderheitenrechte und machen Lobbyarbeit in einzelnen Themenfeldern, erheben aber kaum den Anspruch, die Gesellschaftsform – mit ihren Eigentums- und Produktionsverhältnissen – insgesamt zu verändern. Viertens wird der Begriff Sozialismus von Konservativen, Neofaschisten und Wirtschaftsliberalen als Kampfbegriff verwendet, um soziale Errungenschaften weiter abzubauen, die öffentliche Infrastrukturen zu privatisieren und emanzipatorische soziale Bewegungen generell zu diffamieren. Möglichkeiten der Bezugnahme auf den Sozialismus-Begriff

Ich meine, es gibt Sinn, alle drei anarchistischen Stränge der Kritik am Sozialismus und ihre Argumenten zu kennen. Die sezessionistische Position wird meistens von Individualanarchist*innen und darin insbesondere von Egoist*innen vertreten, welche ohnehin Meta-Erzählungen von der Erkämpfung einer „anderen“ Gesellschaftsform ablehnen. Auch Insurrektionalist*innen distanzieren sich meistens von sozialistischen Narrativen. Damit kann auch eine grundlegende Kritik an der europäischen Moderne geübt werden.

Die transzendierende Kritik findet sich häufig bei mutualistischen und kommunitären Ansätzen, in welchen darum geht, ganz konkret andere ökonomische und soziale Bedingungen von unten aufzubauen, ob in Hausprojekten, Solidarischen Landwirtschaftskooperativen, Nachbarschaftsorganisierung, selbstorganisierten Beratungsangeboten und ähnlichem. Hierbei wird meistens auf die Selbstbezeichnung als „sozialistisch“ verzichtet, welche ohnehin angestaubt und „ideologisch“ wirkt. Trotzdem können die ethischen Werte, Organisations- und Zielvorstellungen solcher Gruppen ihrer Form und ihrem Inhalt nach durchaus als sozialistisch beschrieben werden.

Die immanente Kritik verteidigt den Begriff des Sozialismus „nach aussen“ und beansprucht seine sachgemässe Definition innerhalb des pluralistischen sozialistischen Lagers. Insbesondere kommunistische, aber auch syndikalistische Anarchist*innen vertreten diese Position. Ihnen zufolge sollte auch das Potenzial der Erkämpfung einer zukünftigen Gesellschaftsform in den Blick genommen werden. Diese kann inhaltlich und formal als „libertärer Sozialismus“ bezeichnet werden. Sie anzustreben ist deswegen möglich, weil angenommen wird, dass libertär-sozialistische gesellschaftliche Verhältnisse neben jenen der staatlich-kapitalistischen bestehen, auch wenn sie von ihnen dominiert werden.

Wenn Anarchist*innen überhaupt sprechen, ihre Positionen kommunizieren, sich ein Selbstbewusstsein verschaffen und Auseinandersetzungen auf der Ebene der Diskurse führen wollen, braucht es auch eine Beschäftigung mit dem Begriff Sozialismus. Diese einfach zu ignorieren, umgeht die theoretischen Überlegungen, welche erforderlich sind, um die eigene Sichtweise zu verbreiten und das eigene Handeln zielgerichteter und stärker werden zu lassen. Die Verwendung von Begriffen variiert wie gesagt nach Kontexten, Zeiten, Traditionen und Vorlieben. Dennoch wäre es fatal, sie einfach völlig willkürlich oder beliebig zu benutzen, wenn man etwas Bestimmtes ausdrücken will und zu erreichen anstrebt.

Obwohl es zurecht grundlegende Kritik an der Verstaatlichung sozialistischer Bewegungen, dem realen Staatssozialismus und seiner Verknüpfung mit der europäischen Moderne gibt, bin ich der Ansicht, dass es weiterhin Sinn ergibt, den Anarchismus als Hauptströmung des Sozialismus anzusehen und zu definieren, wie es auch der überwiegende Teil der historischen Anarchist*innen getan hat. Den Begriff komplett fallen zu lassen, heisst meines Erachtens nach der antikommunistischen Propaganda auf den Leim zu gehen, die eigenen Geschichten zu vergessen, sich in einer selbstbezüglichem Sonderrolle einzurichten statt mit vielen Interessierten zu kooperieren.

Letztendlich bedeutet es auch den Anspruch aufzugeben, die Gesellschaftsform insgesamt zu verändern und damit auch die Notwendigkeit strategischer Orientierungen für soziale Bewegungen zu verleugnen. Dies alles ist aber die Voraussetzung dafür, dem nachgehen zu können, was anarchistisches Kernanliegen ist: Herrschaftsverhältnisse in all ihren Ausprägungen und Verknüpfungen abzubauen und zu überwinden. In Situationen, wo dies sinnvoll erscheint, sollte man sich dazu auf den Begriff Sozialismus beziehen. Wenn dies nur zur Versicherung der eigenen Identität dient, kann man es auch sein lassen.

paradox-a

 

Demokratie, Libertärer Sozialismus und Anarchie Soziale Revolution als radikale und umfassende Gesellschaftstransformation. Neuanfänge gleich welcher Art zu initiieren, bedeutet einen Dreischritt im Umgang mit den vorhandenen Ordnungen zu gehen.

Zunächst setzten sie eine Ent-Identifizierung von Subjekten mit einer verfestigten, bestehenden Ordnungsstruktur voraus, in welcher sie keinen Anteil finden können. Zweitens ist zu verstehen, dass Ausbeutung, Ausgrenzung, Unterdrückung und Entfremdung in unterschiedlichen Ausprägungen Folgen jeder historisch-spezifischen Herrschaftsformation sind. Ein gesellschaftlicher Neuanfang, welcher diese Bezeichnung verdient, kann nur glaubwürdig von jenen sozialen Gruppen ausgehend gedacht werden, welche aus der dominanten Gesellschaftsordnung aus verschiedenen Gründen herausfallen, die sich jedoch organisieren und nicht mehr mit dem Alten identifizieren wollen.

Als dritter Schritt folgt die Neu-Identifizierung mit einer Alternative, welche aus der Erfahrung von Kontingenz möglich wird. Das anarchistische Konzept der sozialen Revolution ist motiviert von der Sehnsucht nach einem radikalen gesellschaftlichen Neuanfang als solidarische, egalitäre und libertäre alternative Moderne. Zu jener Motivation tritt die Überzeugung hinzu, dies sei nicht nur aus ethischen Gründen erstrebenswert, sondern auch vernünftig und machbar. Wie gesamtgesellschaftliche Neuanfänge im anarchistischen Denken durch die soziale Revolution gedacht werden, soll im folgenden Beitrag umrissen werden.

Genese des anarchistischen Konzepts der sozialen Revolution

In Anschluss an die Revolutionswelle von 1848 kam in sozialistischen Debatten die Forderung nach einer sozialen Revolution auf. Im Unterschied zur politischen Revolution, welche im Wesentlichen auf die Übernahme der Staatsmacht abzielt, um mit ihr den Sozialismus einzuführen und durchzusetzen, sollte mit der sozialen Revolution der Klassenantagonismus, welcher als wesentliches Moment der Gesellschaftsstruktur begriffen wurde, abgebaut und letztendlich überwunden werden.

Der Anarchismus wurde im 19. Jahrhundert anhand von Auseinandersetzungen innerhalb der sozialistischen Bewegungen entwickelt, wobei einer der entscheidenden Punkte dabei die Ablehnung der Übernahme oder Beeinflussung der Staatsmacht war. Der Kapitalismus könne aus strukturellen Gründen nicht ohne die Abschaffung des Staates überwunden werden. Daher müsse eine wirkliche Revolution einerseits mit den Strukturen der Herrschaftsordnung grundlegend brechen und andererseits selbstorganisierte Gegenorganisationen aufbauen.

Für letztere bestanden relativ konkrete Vorstellungen in der Konzeption von freiwilligen und dezentralen Kommunen, die miteinander auf verschiedenen Ebenen föderieren und kooperieren, dabei jedoch ihre Autonomie behalten. Diese Vorstellungen wurden von William Godwin, Pierre-Joseph Proudhon, Michael Bakunin, Peter Kropotkin, Gustav Landauer, Rudolf Rocker und vielen anderen festgehalten, gingen jedoch im Wesentlichen aus den Praktiken und Organisationsformen von libertären sozialistischen Bewegungen hervor.

Das explizit anarchistische Konzept der sozialen Revolution wurde im Wesentlichen durch die Erfahrungen und Überlegungen von Aktiven im antiautoritären Flügel der sozialistischen und Arbeiter*innenbewegung entwickelt. Es ist beeinflusst von der Vorstellung einer sozialen Evolution, das heisst einer eigendynamischen Entwicklung der Gesellschaft, welche zu sozialem Fortschritt führe. Anarchist*innen verstanden sich demgemäss als „Hebammen“ der sozialen Revolution, indem sie der heranreifenden sozialen Evolution – entgegen den überkommenen Strukturen der Herrschaft, die nur den Privilegierten dienen – zum Durchbruch verhalfen. Der Modus der sozialen Revolution funktioniert kaum durch spektakuläre, sondern alltägliche Veränderungen und kleinteilige Handlungen.

Dennoch stellt er einen qualitativen Unterschied zur politischen Reform dar, eben weil mit ihr keine Integration in die bestehende Ordnung, sondern der Aufbau von Alternativen zu ihr angestrebt wird. Und verständlicherweise ist die anarchistische Konzeption von der politischen Revolution abzugrenzen. Emanzipation sei nicht möglich, wenn Herrschaftsstrukturen und -verhältnisse intakt gelassen und genutzt werden.

Soziale Revolution kann somit als ein Streben nach Autonomie begriffen werden, mit welchem sich von Unterdrückung und Ausbeutung betroffene Gruppen selbst organisieren und emanzipieren, anstatt etwa durch Parteien angeführt oder in parlamentarischen Vermittlungsprozessen eingehegt zu werden. Dies lässt sich im heterogenen Anarchismus an verschiedenen Tendenzen festmachen. Ob anarchistischer Individualismus, Mutualismus und Kollektivismus, Kommunismus, Syndikalismus oder Kommunitarismus – so unterschiedlich ihre Strategien teilweise sind, überschneiden sie sich jedoch und bilden somit einen Rahmen für kontinuierliche Experimente des Neu-Beginnens.

Aspekte des anarchistischen Begriffs von sozialer Revolution

In der Beschäftigung mit verschiedenen Revolutionsbegriffen fallen einige Aspekte ins Auge, die im anarchistischen Konzept der sozialen Revolution eine spezifische Ausprägung erfahren. Diese sollen im Folgenden angerissen werden, um aufzuzeigen, dass das anarchistische Revolutionsverständnis bestimmbare Merkmale aufweist. Zugleich zeigen sich ihn ihm starke Ambivalenzen, die den modernen Revolutionsbegriff generell durchziehen und in unterschiedlichen zeitlich-räumlichen-sozialen Kontexten verschieden Gestalt annehmen.

Revolution wird zugleich als Ereignis und Prozess wahrgenommen. Mit dem anarchistischen Verständnis wird das Gewicht eindeutig auf die Seite der Prozesshaftigkeit der sozialen Revolution gelegt, während ‚revolutionäre Situationen' als Oberflächenerscheinungen angesehen werden. Daraus leitet sich die Herangehensweise ab, dass es hier und heute möglich wäre, sich sozial-revolutionär zu orientieren, anstatt etwa auf einen grossen Bruch zu warten, der quasi durch eine historische Gesetzmässigkeit messianisch hereinbrechen würde.

In Hinblick auf das Verhältnis von Negation und Konstruktion lassen sich ausgedehnte sozialistische Debatten nachzeichnen. Das Bilderverbot von Marx, auf das er in Abgrenzung zu den von ihm so genannten ‚utopischen Sozialist*innen' bestand, wurde durch die Denker*innen der Kritischen Theorie aufgrund des Scheiterns der Zivilisation in Auschwitz erneuert, wobei der Stalinismus sein Übriges zur Diskreditierung einer positiven sozialistischen Vision tat. So nachvollziehbar die dahinter stehenden Argumentationen und historischen Erfahrungen sind, tendiert das anarchistische Konzept stark zur Betonung der Konstruktivität der sozialen Revolution. Dabei sei die Ablösung von den alten Strukturen, ja, ihre Zerstörung unvermeidlich. Dennoch diene Negation zur Neuschöpfung der Gesellschaft als eigentliche Aufgabe.

Weiterhin gibt es einen Aspekt von Revolutionsverständnissen, der sich als das Denken eines ‚Ausserhalb' und eines ‚Innerhalb' von der jeweils bestehenden gesellschaftlichen Ordnung, also ihren Institutionen, Beziehungen, Normen und Praktiken bezeichnen lässt. Die Frage dahinter lautet, inwiefern es einen transzendenten Bezugspunkt eines (unvorstellbaren) radikal Anderen braucht, um grundlegende Transformationen zu motivieren, oder ob sozial-revolutionäre Bestrebungen aus vorhandenen, aber unterdrückten gesellschaftlichen Verhältnissen immanent abgeleitet werden können, die als erstrebenswert gelten und damit auch als Fluchtlinien hin zu einer anderen Gesellschaft dienen können.

Mit der eingangs erwähnten Annahme, dass es die verschiedenen aus den bestehenden Ordnungsgefügen herausfallenden Subjekte sind, welche sich für einen sozial-revolutionären Neuanfang begeistern lassen, werden im Anarchismus Veränderungen ganz überwiegend von bereits vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen und Beziehungen ausgehend gedacht.

Anarchist*innen lehnen die Herangehensweise ab, dass der Zweck die Mittel heiligen würde. Vielmehr sollen die gewählten Mittel den angestrebten Zielen entsprechen und die erstrebten Handlungsweisen vorwegnehmen, wofür sich der Begriff ‚präfigurative Politik' etabliert hat. Diese ist allerdings konfrontiert mit der Widersprüchlichkeit der Realität, die erstens aus den multiplen Herrschaftsverhältnissen (Staat, Kapitalismus, Patriarchat, weisse Vorherrschaft, Naturbeherrschung) resultiert, welche soziale Gruppen in ein antagonistisches Verhältnis setzt.

Zweitens ergibt sich auch dadurch, dass der libertäre Sozialismus als eine vielfältige Gesellschaftsform gedacht wird, weswegen emanzipatorische soziale Bewegungen zugleich als pluralistisch anzusehen sind. Drittens gründet sich dies auf ein Subjektverständnis, welches statt von einem vermeintlichen kohärenten, ‚autonomen', sich selbst setzenden, fixierten ‚Selbst' der bürgerlichen Subjektform, vielmehr von fluiden und offen gehaltenen ‚sozialen Singularitäten' ausgeht, welche durch und durch gesellschaftlich geprägt sind. Daraus ergibt sich der Anspruch nach einem Ineinandergreifen von Mitteln und Zielen, weil diese nicht einfach selbst einander entsprechen, sondern permanenter Vermittlung bedürfen. Denn jede Gruppe, Struktur, Praktik oder Aktionsform kann entweder zum Selbstzweck verkommen oder rein instrumentell benutzt werden. In beiden Fällen geht dabei ihr sozial-revolutionäres Potenzial verloren.

Zur Frage der revolutionären Subjektivität kann festgestellt werden, dass Anarchist*innen wie beispielsweise Errico Malatesta, Johann Most, Emma Goldman, Alexander Berkman oder Erich Mühsam von einer Pluralität unterdrückter sozialer Gruppen ausgehen, die sozial-revolutionär werden, indem sie sich verbünden und auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichten.

Daraus folgt, dass sich von Unterdrückung und Ausbeutung betroffene Gruppen selbst ermächtigen und für ihre Emanzipation kämpfen müssen, anstatt etwa von einer revolutionären Avantgardepartei angeführt zu werden. Gleichwohl ist immer wieder eine Kluft zwischen politisch-ideologisch Überzeugten und den von Herrschaft Betroffenen festzustellen. Insofern müssen sich auch Anarchist*innen die Frage stellen, welche Verantwortung ihnen im sozial-revolutionären Prozess zukommt, worauf es auch verschiedene Antwortversuche gibt.

Demokratie, Libertärer Sozialismus und Anarchie

In anarchistischen Debatten lassen sich seit 150 Jahren zwei Stränge nachzeichnen. In einem wird davon ausgegangen, dass eine Radikalisierung der Demokratie aufgrund ihrer eigenen, unverwirklichten Ansprüche zu Anarchie führen kann (z.B. David Graeber, Cindy Milstein).

Im anderen wird Demokratie konsequent als Herrschaftsform begriffen, welcher Anarchie als grundlegend anderer Modus entgegengesetzt wird (z.B. Uri Gordon, CrimethInc). Da in beiden Strängen überzeugende Argumente angeführt werden, ist diese Diskussion nicht abschliessbar, wie Markus Lundström zeigt. Dagegen schlage ich eine andere Betrachtung vor. Meiner Ansicht nach ist ein grundlegender Neuanfang im Sinne einer prinzipiell realisierbaren Gesellschaftsordnung als libertärer Sozialismus zu bezeichnen.

Dieses egalitäre, solidarische Projekt von machbaren, funktionierenden realen Utopien, wie sie mit Erik Olin Wright bezeichnet werden können, geht aus deren Verknüpfung und Ausdehnung hervor und wird von unterschiedlichen Gruppen vorangetrieben, welche sich sozial-revolutionär orientieren und organisieren. Anarchie hingegen kann zwar auf Ebene von Gemeinschaften praktiziert werden, stellt zugleich jedoch die permanente Infragestellung jeder gesellschaftlichen Ordnung und somit einen nie abschliessbaren Prozess der Instituierung erstrebenswerter Beziehungen und Institutionen dar.

Beides schliesst sich nicht aus, sondern verdeutlicht eine im anarchistischen Denken grundlegende Problemstellung: Wie ist es möglich, sich Macht anzueignen, ohne Herrschaft zu reproduzieren? Wie ist es möglich, gesellschaftliche Ordnungen zu stiften, die auf Freiwilligkeit beruhen und keine neuen Privilegierungen hervorbringen? Die Beantwortung dieser Fragen kann nicht pauschal erfolgen, sondern geschieht und gelingt bei der Umsetzung anarchistischer Ansprüche und Vorstellungen in emanzipatorischen sozialen Bewegungen.

Insgesamt kann jedoch angenommen werden, dass die Zuspitzung der multiplen gesellschaftlichen Krisen zu einem gesteigerten Problembewusstsein und zu einer höheren bzw. weiter verbreiteten Bereitschaft zu radikaler und umfassender Gesellschaftstransformation führt. Die Sehnsucht nach derartigen Umwälzungen geht aus den Erfahrungen von Subjekten in der dominierenden Herrschaftsordnung und den zu ihr gleichzeitig bestehenden Alternativen hervor. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, sich dem anarchistischen Konzept der sozialen Revolution und der konkreten Utopie eines libertären Sozialismus als erstrebenswerter Gesellschaftsordnung zu widmen.

Eine weitere Betrachtung würde ergeben, dass sich die Debatten insbesondere in der feministischen und der Klimagerechtigkeitsbewegung stark in diese Richtung bewegen. Anarchie wirkt als Modus der Infragestellung der staatlich-kapitalistischen-patriarchalen Herrschaftsordnung und soll einen grundsätzlichen Neuanfang denkbar und erfahrbar machen. Die Motivation für einen gesamtgesellschaftlichen Aufbruch, eine radikale und umfassende Gesellschaftstransformation speist sich daran anschliessend aus der Positionierung zum libertären Sozialismus.

Theoretische Überlegungen können zur Orientierung auf einen derartigen Neuanfang hin dienen und hilfreich sein, insofern damit wie in diesem Beitrag libertär-sozialistische Tendenzen und Ansatzpunkte erfasst und beschrieben werden, die tatsächlich vorhanden sind (vgl. Day 2005). Seine Realisierung ist jedoch eine Frage der Organisierung, Bewusstseinsbildung und politischen und sozialen Auseinandersetzungen der von Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung und Ausgrenzung betroffenen Menschen.

Jonathan Eibisch